Wirtschaft Nordhessen, 06/2001
Interview "Die Kultur muß stimmen!"
WIRTSCHAFT NORDHESSEN: Frau Batz, Herr Winzer, seit einigen Jahren hat die Informations-Technologie-Branche hohe Konjunktur. Erst der Börsencrash hat die Stimmung wieder deutlich getrübt. Wie ist die Stimmung bei Ihnen?
Batz: Famos! Der Grund mag Sie vielleicht ein wenig überraschen, denn eigentlich ist der Gang der Ereignisse, von denen sie sprechen, die Bestätigung für unsere Linie gewesen. Von unserer Unternehmenspolitik her sind
wir eigentlich eher konservativ gelagert und damit untypisch für die IT-Branche oder zumindest im Vergleich zu den IT-High-Flyern der Börse. Wir produzieren hier keine heiße Luft, sondern exzellente Dienstleistungen mit High
tech-Qualität und Bodenhaftung.
WN: Was ist denn das konservative Element an einem jungen IT-Unternehmen?
Winzer: Wenn ich mir das eine oder andere Unternehmen am Neuen Markt ansehe, dann kann man ja nicht unbedingt von einem Reifegrad sprechen, der es berechtigt, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Konservativ heißt
für uns daher, dass es neben einer guten Geschäftsidee eine klare Struktur im Unternehmen geben muss, dass Wachstum nicht alles ist. Konservativ heißt für uns auch, dass es eine Menge gibt, was von den Unternehmen der Old
Economy zu übernehmen ist, was ein Unternehmen überhaupt am Funktionieren erhält. Zu Beginn unserer Firmengeschichte konnten wir morgens am Kaffeetisch noch den Wochenplan besprechen. Das geht nach entsprechendem Wachstum
nicht mehr, so gern man das auch möchte.
Batz: Hinzu kommt, dass wir keine Phantasiegehälter zahlen. Unsere Mitarbeiter verdienen gut und sind am Gewinn beteiligt. Wir legen Wert auf langfristige Mitarbeit und dafür schaffen wir das nötige Umfeld.
WN: Welche Erfahrungen machen Sie bei der Mitarbeitersuche? Gibt es dort auch so etwas wie die neue Bescheidenheit?
Batz: Der Crash hat dazu beigetragen, dass viele sich wieder an Sicherheitsüberlegungen orientieren. Die astronomischen Gehaltsträume sind wohl ausgeträumt. Im Vordergrund stehen wieder langfristige Perspektiven, auch
Lebensperspektiven. Das zeigen uns die Bewerbungen, die aus den Kreisen der New Economy kommen.
WN: Und wie sind dementsprechend die Perspektiven der New Economy? Bewegen sich New und Old Economy aufeinander zu?
Winzer: Ich sehe uns da als Vorreiter eines neuen Modells. Wir wählen die besten Elemente aus beidem und suchen unseren eigenen Weg in Hinsicht auf Arbeitszeitmodelle, Tarife, Verwaltungsorganisation. Unser Ziel ist
eine flexible, schnelle Organisation, die offen ist für die Anforderungen der Kunden und der Mitarbeiter. Der Unterschied von New und Old Economy wird sich langfristig auflösen.
WN: Welche Erfahrungen haben Sie bei der Zusammenarbeit mit den klassisch aufgestellten Unternehmen als Kunden gemacht?
Batz: Weil wir eine gewisse Solidität und Seriösität zum Geschäftsprinzip gemacht haben, uns also bewusst von dem jugendlich-dynamischen Auftritt vieler Newcomer abheben wollen, treten eigentlich keine Probleme auf.
WN: Worin sehen Sie denn die Hauptprobleme vieler Start up-Unternehmen?
Winzer: Vielfach war es einfach eine Fehlinterpretation der Bedeutung des eBusiness. Die Jungen glaubten, alles sei machbar und werde sich in rasender Geschwindigkeit in ihrem Sinne ändern. Die Alten verliessen sich auf
ihre Kompetenz und Erfahrung.
WN: Müssen Sie vieles erklären, wenn Sie Kunden ansprechen? Wie denken Ihre Kunden über die IT-Branche?
Winzer: Das ist unproblematisch.
WN: Welche Vorstellungen haben Sie für INOSOFT für die nächsten Jahre?
Batz: Wir streben kein Wachstum um jeden Preis an, wir wollen qualitatives Wachstum schaffen.
Winzer: Wer traut sich heute schon zu, Geschäftsmodelle zu schreiben, die fixe Vorgaben auf Jahre hinaus machen? Wir jedenfalls nicht.
WN: Ist der Markt, ist die Nachfragesituation von den Turbulenzen bei den Anbietern völlig unberührt geblieben?
Winzer: Die Nachfrage ist weiter da. Viele Jung-Unternehmen müssen sich lediglich von innen heraus auf ihn einstellen. Da gilt es oft noch, die unternehmensorganisatorischen Hausaufgaben zu machen. Das geht teilweise
soweit, dass die Projektarbeit von Grund auf aufgenbaut werden muss.
WN: Wer macht heute das Geschäft?
Winzer: Diejenigen, die eine gute Geschäftsidee haben und nicht versuchen, mit einer Luftblase Geld zu verdienen. Wichtig ist, dass wir unsere Unternehmen nicht betreiben, um Spaß zu haben, sondern um Geld zu verdienen.
Wer das verstanden hat und konsequent umsetzt, macht das Geschäft.
Batz: Dazu kommt eine solide Haushaltsführung und Finanzverwaltung.
Winzer: Eine Struktur und Gewinne gepaart mit einer Vision - damit kann man es schaffen.
WN: Werden junge Unternehmen wie INOSOFT bald schon ebenso viel Einfluss auf das Wirtschaftsleben haben wie die großen alten Namen der Industrie?
Winzer: Das wird sicher noch eine gute Weile dauern, bis dieser schöne Traum wahr geworden sein wird. Aber irgendwann in der Zukunft wird dies sicherlich der Fall sein. Momentan aber haben wir alle zuviel mit uns selbst
zu tun, als dass wir uns darüber Gedanken machen könnten. In diesem Jahr stehen sicher noch einige harte Entwicklungen in der Branche an, die keinen unberührt lassen werden. Das hat Priorität.
WN: Was könnte denn der spezielle Input sein, den junge Unternehmen geben?
Winzer: Viele von uns sind Dienstleistungsunternehmen. Das bedeutet hohe Verfügbarkeit, große Kundenorientierung, starke Servicebereitschaft und ein Höchstmaß an Innovationsfähigkeit und Flexibilität. Dafür müssen wir
uns intern aufstellen und brauchen neue Arbeitszeitlösungen, neue Motivationsstrategien und offensive Führungsphilosophien. Damit können wir in vielen Fällen beispielhafte Lösungen bieten, die Schule machen können.
Batz: Das ist die praktische Seite. Aber natürlich sind wir auch schlicht davon überzeugt, dass dies notwendig ist, um solch anspruchsvolle und qualifizierte Mitarbeiter, wie wir sie nunmal beschäftigen, an uns zu
binden. Die Verbindung von Leben und Arbeit ist für uns kein leeres Schlagwort, sondern soll gelebt werden.
WN: Wohin geht der Markt derzeit? Die Prognosen der letzten Jahre waren ja nicht so zuverlässig...
Winzer: Am Beispiel Handy-Technik, Stichwort Wap oder UMTS, kann man ja schon sehen, wo oftmals das Problem lag. Wer es nutzte stellte oft sehr schnell fest: „Ganz nett, aber brauche ich nicht!“ Der Nutzen war gleich
Null.Denken Sie an Streaming media für das Herunterladen von Videos aus dem Internet: Wenn es acht Stunden dauert, bis ich meinen Lieblingsfilm auf dem PC habe, dann bin ich ja mit einem Besuch in der Videothek weitaus
schneller bedient.Also auch hier ist der Nutzen nicht ersichtlich. Die Techniken werden sich durchsetzen, wenn der Nutzen endgültig definiert ist. Andererseits wird der Generationswechsel sicherlich große Veränderungen
bringen.
WN: In Ihrem Angebot stehen Dienstleistungen des Knowledge Managements. Was kann KM, wie es kurz genannt wird, tatsächlich leisten?
Winzer: Wir haben es eigentlich erst nach eigener Erfahrung mit dem Mangel daran entwickelt. Im Kern geht es darum, im Unternehmen vorhandenes Wissen, das heißt Wissen und Know how der Mitarbeiter, so zugänglich zu
machen, dass alle Unternehmensangehörigen davon profitieren können, weil sie direkten Zugriff darauf haben. Jede Lösung, die unsere Mitarbeiter für unsere Kunden finden oder entwickeln, ist letztendlich für uns - und für jedes
andere Unternehmen auch - ein Wettbewerbsfaktor. Das ist der Kern des Knowledge oder Wissens Managements. Die Verfügbarmachung von Wissen wird künftig für alle Unternehmen aller Branchen von Bedeutung sein.
WN: Was den Mitarbeiter bisher ausgezeichnet hat, nämlich sein Wissensvorsprung vor anderen, entfällt dann? Wie wird dann neues Wissen generiert?
Winzer: Das entsteht von selbst durch die Weiterentwicklung des Firmen-Know hows. Und davon profitiert auch der Mitarbeiter, dessen Tüchtigkeit und Kompetenz auch künftig sein ganz individueller Wettbewerbsvorteil sein
wird. Daran ändert sich nichts. Der Effekt, dass alle gemeinsam weiter kommen als einzeln, ist das eine.
Batz: Das andere ist die dazu notwendige Unternehmenskultur, die das Vertrauen der Mitarbeiter schafft, dass sie nicht nur geben und (mit-)teilen sollen, sondern unmittelbar selbst auch profitieren. An der Fähigkeit
daran teilzuhaben, wird sich künftig mehr und mehr der Wert eines Mitarbeiters für das Unternehmen bemessen.
WN: Wie sind Ihre eigenen Erfahrungen im Unternehmen?
Winzer: Es ist ein aufwändiges Verfahren, es braucht Zeit, aber: Es funktioniert!
Batz: Natürlich muss man sich dafür engagieren. Es lässt sich wie jede Innovation im Unternehmen nicht von der Geschäftsleitung verordnen, sondern muss gelebt werden.
WN: Wie verläuft die Implementierung bei Ihren Kunden?
Winzer: Nur 30 Prozent sind technische Lösungen, 70 Prozent sind Workshops, Schulungen, Coaching etcetera. Am Ende steht so etwas Ähnliches wie die Demokratisierung der Führungsverantwortung. Es werden alle Mitarbeiter
eingebunden, weil sie informiert sind und wissen, warum sie was mit welchen Instrumenten tun sollen. Dazu integriert man die technischen Lösungen intelligent in die Betriebsabläufe, um so wenig wie möglich Reibungsverluste zu
erzeugen.
WN: Und der Mensch bleibt weiter wichtiger als die Technik?!
Batz: Das ist ganz sicher, der Mensch bleibt im Mittelpunkt.
Das Gespräch führte WN-Chefredakteur Walter Ruß-Rohlfs.
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